FÜR DIE ANERKENNUNG UND ZUSSAMMENLEBEN DER KULTUREN

Donnerstag, 26. November 2009

NACHRUF!

Adieu Murat, Adieu denen, die wir liebten

Der Herbst dies Jahr war noch gar nicht so wie ein Herbst gewesen, halb Frühling noch, halb Winter. Doch heute, an dem Tag, an dem Dein Sarg fort getragen wurde, stürmte es zum ersten Mal.

Draußen wirbelten die Blätter von den Bäumen umher und der Wind riss den Trauernden Deine Fotografie, die sie überihren Herzen trugen, davon. Vor ein paar Tagen noch warst Du guter Dinge und keiner ahnte, dass Dein Leben sich dem Ende zugeneigt hatte. Der Tod riss Dich so plötzlich und heftig von den wenigen Menschen aus Deiner Familie, die Dir in der Fremde geblieben waren, dass sie ihm völlig unvorbereitet in die Augen sehen mussten. Ein letztes Ich liebe Euch auf Deinen ersterbenden Lippen, dann musstest Du gehen.

Ich sah Deinen Bruder, so hart, so bitter getroffen, so einsam nun hier in diesem kalten Land, in das ihr geflohen wart. Deine schöne junge Frau klammerte sich an Deinen Sarg, Ihren Kopf hatte sie auf das schwarze Tuch gebettet, das sie über ihm ausgebreitet hatten. Von der Unfassbarkeit Deines Todes ergriffen, schrie sie ihre Rebellion heraus gegen diese Ungerechtigkeit, als hätte sie Dich zurückholen können damit.

Nichts hätte ich ihr mehr gewünscht, als dass dies möglich gewesen wäre. Während Deine Freunde, die in Eile Deine Trauerfeier organisiert hatten, im Nebenraum für Deine Rückkehr nach Dersim sammelten, drang ihr Schluchzen in alle Räume des Hauses. Der Wind schlug die Läden oben zurück, die jemand ganz verschloss und mir wurde bange dabei, weil es mich daran erinnerte, dass Du in der Dunkelheit Deines Sarges lagst und wir nie wieder die Sonne in Deinen warmherzigen Augen leuchten sehen würden, während Du Deine Freunde umarmst. Viele von denen, die Du gekannt hattest, saßen ratlos mit ernsten, traurigen Gesichtern um die Tische und standen draußen im Wind während der Saal, in dem wir alle für immer Abschied von Dir nehmen mussten, widerhallte von der Stimme Deiner geliebten Frau. Nirgends fand ihr Weinen Halt und mir war, als ob es nun ewig den Himmel über Dersim ausfüllen würde, zusammen mit den Stimmen all der Mütter, die sinnlos ihre Kinder verloren und all den Anderen, die ihre Geliebten, ihre Brüder und Schwestern, ihre Eltern beklagen.

Hilflos stand Deine Schwester an Deinem Sarg, die Trauer in ihrem Herzen eingeschlossen, während die Flammen der Kerzen vor Deinem Abbild flackerten. „Wir hatten viele gemeinsame Erinnerungen, sagte Dein Freund, und viele davon waren nicht schön. Tage, an denen die Polizeiknüppel auf unsere Köpfe nieder prasselten, Tage in der Folter.“ Und ich dachte daran, dass Dich nun der Tod, dem Du lange getrotzt hattest, doch eingeholt hat. Du warst so fröhlich und kämpftest auch hier weiter für die Freiheit und den Frieden, für Dein Volk. Du hast die um Dich versammelt, die wie Du in die Fremde geflohen waren, viele spielten mit Dir in dem Fußballverein, den Du gegründet hattest und der wie Deine Musikgruppe den Namen des Munzur trug. Du liebtest die Musik. Mit klarer, heller Stimme sangst Du die Lieder von Dersim. Es ging darum, Dein Leben und das deiner Freunde hoch zu halten gerade zum Trotz gegen die, die den Tod, die Ungerechtigkeit und das Grauen auf ihre Fahnen geschrieben haben. Die Wärme Deiner Liebe für alles Lebende setztest Du diesen kalten Automaten entgegen, die ohne Herz im Leib alles Lebendige bekämpfen.

Wir trafen uns nicht häufig und oft befällt mich Bedauern darüber, dass der Alltag hier uns nur so wenig Gelegenheit dazu gönnt. Ich selbst sah Dich nur zu einigen wenigen Gelegenheiten. Doch alle, die hier in der Fremde leben und eine gemeinsame Vision haben, gemeinsame Erinnerungen, ähnliche Freuden und ähnliches Leid teilen, sind tief miteinander verbunden. Nun ruhst Du bei Deinen Brüdern und Schwestern, all den jung Gefallenen, all denen, die mit ihrem grenzenlosen Mut einer grausamen Welt widerstanden. Ich wünsche Dir und ihnen eine Wiederkehr, all jenen jedoch, die Euer Leben vergifteten, ewigen Tod.

Auch jetzt, Stunden nachdem Du von uns fort getragen wurdest, heult draußen der Wind. Du bist so jung und so plötzlich gestorben, dass es nur Recht ist, wenn wir uns gegen dieses Schicksal auflehnen wollen. Und doch hoffe ich, dass auch Deine Familie eines Tages wieder so etwas wie einen inneren Frieden in der Erinnerung an Dich findet und an die glücklichen Tage mit Dir denken kann.

Es lebe die Schönheit dessen, was wir uns zusammen mit Dir erträumten. Es lebe die Freiheit, der auch Du ein Gesicht gegeben hast./by Jeanne Jiyan

>>> ogur bo murat inu re ogur bo iye ke ma

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